Ein typisches Viertel in Neu-Dehli, Arm und Reich in nächster Nähe. Hier ein Slum, dort ein Bürokomplex. Hier Müllberge und Analphabeten in Hütten, dort frisch gemähter Rasen, und klingelnde Mobiltelefone. Dazwischen eine mannshohe Mauer. Sugata Mira, Entwicklungschef eines großen indischen Softwareproduzenten, schlägt ein Loch in die Mauer und installiert einen Computer mit Internet-Zugang. Ohne Kommentar, einfach so.
Was passiert? Kinder versammeln sich, erkunden ohne fremde Hilfe das Verhalten des Computers. Nach wenigen Minuten hat ein Junge verstanden, wie er den Cursor steuern kann. Nach acht Minuten ist er im Internet. Nach zehn Minuten erklärt er das Gelernte seinen Freunden (!). Nach wenigen Tagen finden die Kinder heraus, wie man Ordner anlegt, etwas kopiert und einfügt. Nach zwei Monaten laden sie MP3-Dateien herunter.
Mitra wiederholt das Experiment in anderen indischen Großstädten. Das Ergebnis ist immer das Gleiche: Kinder, die Englisch kaum sprechen, geschweige denn schreiben können, reisen nach kurzer Zeit durchs Web, lernen das Leben jenseites der sozialen Mauer kennen. Mit dem Blick auf die Welt verändert sich auch ihre soziale Rolle: Sie sind aufgeräumter und konzentrierter, verantwortungsbewusster und weniger aggressiv.
Das Projekt bekommt des Preis "Soziale Erfindung des Jahres"…
(Im Original im Editorial von Chip, Dez. 2001, seitdem vielfach zitiert und weitererzählt).
Bis zum nächsten Mal und schöne Pfingsten
Marius Ebert
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