Zwei Arten von Regelungen
Das deutsche Wettbewerbsrecht arbeitet mit zwei Arten von Regelungen. Die eine Art soll dafür sorgen, dass der Wettbewerb überhaupt gesichert wird, und die andere Art soll dafür sorgen, dass sich die Wettbewerbsteilnehmer anständig benehmen.
a) Die erste Art von Regelungen, die den Wettbewerb überhaupt sichern sollen, finden wir im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), das auch "Kartellgesetz" genannt wird.
b) Die zweite Art von Regelungen, die die Qualität des Wettbewerbs sichern sollen, finden wir vor allem im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und der Preisangabeverordnung.
Wir betrachten im folgenden zunächst die erste Art von Regelungen und damit spe-ziell das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, das GWB.
a) Sicherung des Wettbewerbs, GWB: Grundsätzliches
Wettbewerbsrechtliche Fragen gehören zu den kompliziertesten Fragen des Rechts überhaupt. Allein schon an dem Umfang vieler Paragraphen des GWB ersehen wir, dass hier oft mühsam um einen Kompromiss gerungen wurde, der wiederum viele Ausnahmen und Sonderregelungen enthält. Dies ist verständlich: Schließlich geht es im Wettbewerbsrecht vor allem um Machtfragen. Wettbewerbsrechtliche Fragen der beruflichen Praxis müssen daher immer zusammen mit einem erfahrenen Spe-zialisten geklärt werden.
Institutionen: Kartellbehörde und Monopolkommission
Das GWB spricht von der "Kartellbehörde". Was das bedeutet, ist kom-pliziert. Es ist entweder das Bundeskartellamt in Berlin gemeint oder das Bundesministerium für Wirtschaft oder die Landeskartellämter. Wer von diesen drei Behörden welche Aufgaben wahrnimmt, ist in den §§ 48 ff. GWB festgelegt.
Eine zusätzliche, unabhängige Instanz, die Monopolkommission (5 Mitglieder), hat durch die §§ 44 ff. des GWB den Auftrag bekommen, regelmäßig die Entwicklung der Unternehmenskonzentration in Deutschland zu begutachten. Sie soll ferner
kritisch würdigen, wie die Vorschriften des Kartellgesetzes angewendet werden und Vorschläge erarbeiten, das Gesetz weiter zu entwickeln. Die Monopolkommission hat also keine Macht, unmittelbar einzugreifen, sie kann lediglich beratend auf zu-künftige Gesetze einwirken.
GWB: Instrumente zur Sicherung der Wettbewerbsfreiheit
Die Instrumente des GWB zur Sicherung des Wettbewerbs lassen sich unter drei Oberbegriffen zusammenfassen. Es gibt die Verbote, die Missbrauchsaufsicht und die Fusionskontrolle.
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, GWB (Kartellgesetz)
Nach § 1 GWB (Kartellgesetz) sind Kartelle grundsätzlich verboten, da sie den Wett-bewerb verhindern. Wörtlich verbietet § 1 GWB:
„…Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensverein-barungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken…“
Von diesem Verbot in § 1 ausgenommen sind Vereinbarungen lt. § 2 GWB und Mittelstandskartelle lt. § 3 GWB.1
GWB: Verbot der Preisbindung der zweiten Hand
Nach § 1 GWB ist es dem Hersteller verboten, dem Händler einen bestimmten Preis vorzuschreiben, denn eine Preisvorschrift ist eine Vereinbarung, die den Wettbewerb beschränkt. Diese so genannte Preisbindung der zweiten Hand ist nach § 30 GWB nur noch für Zeitungen und Zeitschriften erlaubt. Außerdem gibt es noch eine Preisbindung für Bücher lt. § 5 Buchpreisbindungsgesetz. Sonst gibt es die Preis-bindung noch in einigen Spezialfällen z. B. bei pharmazeutischen Produkten.
GWB: Boykottverbot
Ebenfalls verboten nach § 21 GWB ist es, andere Unternehmen nicht mehr zu beliefern und ihnen nichts mehr zu verkaufen, also Liefer- oder Bezugssperren zu verhängen, um diese Unternehmen unbillig zu beeinträchtigen.
Missbrauchsaufsicht
Nach den Verboten betrachten wir nun die Missbrauchsaufsicht. Hier überwacht die Kartellbehörde also bestimmte Verhaltensweisen am Markt und schreitet erst dann ein, wenn sie von einem Missbrauch ausgeht.
Missbrauchsaufsicht marktbeherrschender Unternehmen
Bei Unternehmen, die eine große Marktmacht haben (man nennt sie "marktbe-herrschende Unternehmen"), wird durch das GWB besonders kontrolliert, ob sie ihre Macht missbrauchen. Eine marktbeherrschende Stellung wird insbesondere dann angenommen, wenn das Unternehmen ohne (wesentlichen) Wettbewerber ist, oder im Verhältnis zu den anderen eine überragende Marktstellung hat, z. B. durch Markt-anteil, Finanzkraft, etc. Genaueres wird in § 19 GWB geregelt.
Allerdings ist es in der Praxis schwierig festzustellen, ob ein Unternehmen markt-beherrschend ist, weil der Begriff "Markt" nicht genau abgegrenzt werden kann. Das angeblich marktbeherrschende Unternehmen wird seinen Marktbegriff sehr weit fassen, die Kartellbehörde wird den Markt hingegen sehr eng definieren.
Der Missbrauch einer solchen marktbeherrschenden Stellung liegt dann vor, wenn dieses Unternehmen andere behindert, ausbeutet oder diskriminiert. Diese Diskri-minierung ist im § 20 GWB präzisiert. Unternehmen mit überlegener Marktmacht dürfen nach § 20 (4) GWB Waren oder gewerbliche Leistungen nicht unter Ein-standspreis verkaufen, es sei denn, sie machen es nur gelegentlich oder sie haben dafür einen sachlichen Grund, wie z. B. ein Räumungsverkauf wegen Geschäfts-aufgabe.
Fusionskontrolle
Nach den Verboten und der Missbrauchsaufsicht sind wir nun beim dritten Instru-ment des GWB: der Fusionskontrolle. Sie hängt eng mit dem Begriff "markt-beherrschendes Unternehmen" zusammen. Die Kartellbehörde untersagt eine Fusion (= Unternehmensverschmelzung) grundsätzlich dann, wenn dadurch ein Unternehmen mit marktbeherrschender Stellung entsteht. Wir betrachten zunächst die Arten der Fusionen und die Gründe, warum sich zwei oder mehr Unternehmen zusammenschließen.
Fusionen, Arten und Gründe
Man unterscheidet die horizontale, die vertikale und die laterale (diagonale) Fusion.
Unter horizontaler Fusion versteht man, dass sich zwei Unternehmen der gleichen Produktionsstufe zusammenschließen (z. B. zwei Rohstoffbetriebe fusionieren oder zwei Weiterverarbeiter fusionieren).
Bei einer vertikalen Fusion schließen sich Unternehmen aus einer vor gelagerten und einer nach gelagerten Produktionsstufe zusammen (z. B. der Rohstoffzulieferer mit dem Verarbeiter der Rohstoffe).
Eine laterale (diagonale) Fusion bedeutet, dass sich zwei Unternehmen aus unter-schiedlichen Branchen zusammenschließen.
Fusionen werden geschlossen, um Abläufe zu rationalisieren oder um Unternehmen zu sanieren, um die Kreditwürdigkeit zu erhöhen und um Marktmacht zu gewinnen und um Märkte zu beherrschen.
Fusionskontrolle, Ausnahmen
Fusionen, die zu einer marktbeherrschenden Stellung führen werden, nach § 36 GWB grundsätzlich untersagt. Das GWB lässt aber auch hier Ausnahmen zu. Eine Fusion kann nach § 36 GWB doch erlaubt werden, wenn es den Unternehmen gelingt, nachzuweisen, dass durch ihre Fusion die Wettbewerbsverhältnisse verbessert werden und dieser Vorteil den Nachteil der Fusion aufwiegt. In § 35 GWB, speziell in Absatz (2), werden außerdem kleinere Fusionsfälle freigestellt.
Fusion und Ministererlaubnis
Wird die Fusion von der Kartellbehörde (hier ist es das Bundeskartellamt lt. § 48 GWB) untersagt, dann kann sich das Unternehmen um eine so genannte "Minister-erlaubnis" nach § 42 GWB bemühen. Der Bundesminister für Wirtschaft kann die Fusion dann erlauben, wenn er der Meinung ist, dass die gesamtwirtschaftlichen Vorteile der Fusion überwiegen, oder dass die Fusion durch ein überragendes Inte-resse der Gemeinschaft gerechtfertigt ist. Er darf dies aber nur dann tun, wenn durch die Fusion die markt-wirtschaftliche Ordnung nicht gefährdet ist. Der Minister kann seine Erlaubnis mit Beschränkungen und Auflagen verbinden.
Sanktionen
Die meisten Verstöße gegen das GWB sind zugleich Ordnungswidrigkeiten, die mit hohen Geldbußen geahndet werden können. Genaueres findet sich in den §§ 81 ff. GWB.
Europäisches Wettbewerbsrecht, Grundsätzliches
Das Europäische Wettbewerbsrecht ist niedergelegt in den Artikeln 85 bis 90 des EG-Vertrages. Verboten sind darin Absprachen und abgestimmte Verhaltensweisen, die den Wettbewerb auf dem gemeinsamen Markt verhindern, einschränken oder verfälschen. Verboten ist es außerdem, eine marktbeherrschende Stellung zu missbrauchen. Dies alles entspricht im wesentlichem dem, was auch schon im GWB steht. Es ist allerdings nicht so leicht, wie in Deutschland möglich, diese Vorschriften auch durchzusetzen.
Europäisches Wettbewerbsrecht, Behörden
Die einzige Wettbewerbsbehörde, die dieses EG-Recht durchsetzen könnte, ist die Europäische Kommission, genauer gesagt die Abteilung "Generaldirektion Wett-bewerb" mit zwanzig Kommissaren. Dort wird nach Mehrheiten entschieden. Für eine Entscheidung sind also 11 Stimmen erforderlich. Dies gestattet nationale Einflussnahme und Entscheidungen aus "politischen Gründen". Zu einem unab-hängigen Europäischen Kartellamt haben sich die Mitgliedsstaaten bisher jedoch nicht durchringen können.
Europäisches Wettbewerbsrecht, Fusionskontrolle
Seit dem 01.05.04 ist die europäische Fusionskontrolle verschärft und an die – strengen – amerikanischen Vorschriften angelehnt worden.
· Die Kommission muss die Fusion vorher genehmigen…
·… und kann sie verbieten, wenn wirksamer Wettbewerb im gemeinsamen Markt (oder Teilen davon) erheblich behindert wird.
Beurteilt wird dies wesentlich durch das neu geschaffene Amt des „Chefökonomen“, der beurteilen soll, ob die Fusion ökonomisch sinnvoll ist, oder nicht.
b) Sicherung der Qualität des Wettbewerbs
Nun betrachten wir die zweite Art von Gesetzen. Diese Gesetze sollen sicherstellen, dass die Wettbewerbsteilnehmer sich anständig benehmen. Es soll also die Qualität des Wettbewerbs gesichert werden.
durch: Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
Die Grundaufgabe des UWG ist es, dafür zu sorgen, dass die Marktteilnehmer sich „lauter“ verhalten.
Es ist ein Schutzgesetz, dass Mitbewerber, Verbraucherinnen und Verbraucher sowie die sonstigen Marktteilnehmer vor unlauterem Wettbewerb schützen soll (§ 1 UWG). Ausdruck findet dies in der Generalklausel des Gesetzes in § 3. Dort heißt es, dass unlautere Wettbewerbshandlungen dann unzulässig sind, wenn sie geeignet sind, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. In § 4 des Gesetzes sind Beispiele für solche unlauteren Handlungen genannt.
UWG: Irreführende und vergleichende Werbung
Nach § 5 (1) UWG ist auch irreführende Werbung eine unlautere Wettbewerbs-handlung. Vergleichende Werbung ist grundsätzlich erlaubt, unterliegt aber den in § 6 UWG genannten Beschränkungen. Dort wird gesagt, wann eine vergleichende Werbung als „unlauter“ angesehen wird.
Belästigende Werbung ist in § 7 geregelt. § 7 (1) UWG sagt, dass es unlauter ist, einen Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise zu belästigen. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn erkennbar ist, dass der Empfänger Werbung nicht wünscht.
UWG: Rechtsfolgen unlauteren Wettbewerbs
Wer sich unlauter verhält, muss mit den Rechtsfolgen der § §8 ff. UWG rechnen. In der Praxis am bedeutsamsten sind hier die Unterlassungsansprüche. Sie setzen kein Verschulden des Verletzers voraus. Der in § 9 geregelte Schadensersatzanspruch setzt hingegen voraus, dass den Verletzer eine Schuld trifft. Unangenehm für den Verletzer könnten auch die Beseitigungspflichten des § 8 UWG sein, die ihn ver-pflichten können, Werbematerial einzustampfen oder darin enthaltene Aussagen zu widerrufen.
§ 10 UWG regelt für vorsätzliche unlautere Wettbewerbshandlungen einen Gewinn-abschöpfungsanpruch, wenn hierdurch zu Lasten einer Vielzahl von Abnehmern ein Gewinn erzielt wurde. Hierdurch soll verhindert werden, dass Marktteilnehmer, die einer Vielzahl von Personen einen jeweils kleinen Schaden zugefügt haben, oft ungeschoren davonkamen. Der abgeschöpfte Gewinn fließt der Staatskasse zu. Einklagbar ist dieser Gewinnabschöpfungsanpruch allerdings nicht von Mitbewer-bern oder Verbrauchern, sondern nur von Verbraucher- oder Wettbewerbsver-bänden und Industrie und Handelskammern.
UWG: Straftatbestände
Strafrechtliche sanktioniert sind in § 16 UWG bestimmte Formen der vorsätzlichen irreführenden Werbung und die Veranstaltung so genannter „Schneeballsysteme“. Weitere Straftatbestände finden sich in den §§ 17 bis 19 UWG.
durch: Preisangabeverordnung, PAngV
Die Preisangabenverordnung ist ein Schutzgesetz für den Endverbraucher. Die Preise müssen für ihn transparent sein. Die PAngV schreibt vor allem vor, dass die Preisangaben inklusive Mehrwertsteuer gemacht werden müssen ("Endpreise"), und dass Schaufensterware mit Preisen ausgezeichnet werden muss. In Gaststätten müssen Preisverzeichnisse auf den Tischen liegen und in jedem Hotelzimmer müssen die Zimmerpreise ausgewiesen werden. Preise für Kredite müssen als "effektiver Jahreszins" ausgewiesen werden.
1 Damit ist die alte, präzisere Unterscheidung in verbotene, genehmigungspflichtige und anmeldepflichtige Kartelle aufgehoben. Der neue § 2 GWB ist wesentlich ungenauer: § 2 erlaubt Vereinbarungen, wenn Ver-braucher am Gewinn beteiligt werden und durch solche Vereinbarungen die Warenerzeugung oder Waren-verteilung verbessert werden oder der technische und wirtschaftliche Fortschritt gefördert wird. § 3 erlaubt Mittelstandskartelle unter bestimmten Voraussetzungen.