Grundgedanke der dynamischen Verfahren
Anders als die statischen Verfahren, sind die dynamischen Verfahren in der Lage genau abzubilden, wann eine Zahlung anfällt. Die dynamischen Verfahren arbeiten also nicht mit Erlösen oder Kosten, sondern mit Zahlungen. Der unterschiedliche zeitliche Anfall der Zahlungen kann mit Zinsfaktoren berücksichtigt werden, die wir zunächst betrachten wollen.
Aufzinsungsfaktor
Wie viel sind 1000,– EURO in fünf Jahren wert? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir natürlich wissen, welche Höhe der Verzinsung wir annehmen sollen. Nehmen wir an, es seien 10 Prozent. Wie viel erhalte ich also in fünf Jahren, wenn ich heute 1000 EURO zu 10% anlege?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns zunächst den Aufzinsungsfaktor herleiten. Wir gehen langsam, Schritt für Schritt vor, indem wir uns zunächst fragen, wieviel 1000 EURO bei 10 % Zinsen nach einem Jahr wert sind.
Nach einem Jahr erhalten wir natürlich zunächst einmal unser Kapital zurück, also EURO 1000,–. Dazu erhalten wir noch die Zinsen auf das Kapital, also 0,1 . 1000,–. Nach einem Jahr bekommen wir also:
Die linke Seite dieser Gleichung formen wir nun mathematisch um, indem wir 1000 ausklammern:
1000 + 0,1 . 1000 = 1000 (1 + 0,1)
Der Term "1000 (1 + 0,1)" ist also nur eine andere mathematische Schreibweise für das Kapital von EURO 1100,–, das wir nach einem Jahr erhalten. Aus der Schreibweise "1000 (1 + 0,1)" ersehen wir nun, dass wir durch Multiplikation des Ausgangskapital mit "(1 + 0,1)" den Wert des Kapitals nach einem Jahr erhalten. Die Multiplikation mit "(1 + 0,1)" bringt uns also "ein Jahr weiter".
Wieviel ist nun unser Ausgangskapital von EURO 1000,– nach zwei Jahren wert? Wir kennen schon den Wert nach einem Jahr. Es sind EURO 1100,– oder anders geschrieben:1000 (1 + 0,1). Um nun an das Ende des zweiten Jahres zu kommen multiplizieren wir einfach die EURO 1100,– wieder mit ( 1+ 0,1). Für diese EURO 1100,– verwenden wir allerdings wieder die obige Schreibweise:
Den gesamten Ausdruck können wir nun mathematisch einfacher ausdrücken:
Der Ausdruck rechts vom Gleichheitszeichen verrät uns nun schon sehr viel über den Aufzinsungsfaktor. Die Zahl zwei im Exponenten steht für die Zahl der Jahre. In allgemeiner Form lautet der Aufzinsungsfaktor:
(1 + i)n
In diesem Term steht "n" für die Zahl der Jahre und "i" für unseren Zinssatz, der bisher immer 10 %, also 0,1 betrug. Um diesen Ausdruck noch weiter zu vereinfachen, bestimmen wir, dass wir statt "1 + i" den Ausdruck "q" verwenden wollen.
Somit lautet der Aufzinsungsfaktor:
Nun können wir endlich unsere eingangs gestellte Frage beantworten: Wie viel sind EURO 1000,– bei 10 % Zinsen in fünf Jahren wert? Wir multiplizieren das Kapital mit dem Aufzinsungsfaktor:
Oder kürzer: 1000 . 1,15 = 1610,51
Am Ende des fünften Jahres können wir also für unsere ursprünglichen EURO 1000,– bei 10% Zinsen EURO 1.610,51 kassieren. Der Aufzinsungsfaktor liefern uns also einen Zukunftswert.
Abzinsungsfaktor
Fragen, die der Abzinsungsfaktor beantworten kann, lauten zum Beispiel: Wie viel muss ich heute anlegen, um in 5 Jahren 1000 EURO zu besitzen? Natürlich kann man die Frage auch anders formulieren: Wie viel sind 1000 EURO, die ich in fünf Jahren erhalte, heute wert?
Der Abzinsungsfaktor lautet: 1
q n
Da wir stattdessen auch genauso q -n schreiben können,
lautet der Abzinsungsfaktor umgeformt:
Der Abzinsungsfaktor liefert uns einen Gegenwartswert.
Rentenbarwertfaktor
Nun betrachten wir den Rentenbarwertfaktor. Unter einer Rente versteht man in der Investitionsrechnung eine Reihe gleich hoher Zahlungen. Das Wort "Barwert" weist auf den Zeitpunkt "heute" hin. Damit haben wir die Fragestellung des Rentenbar-wertfaktors: Wieviel ist eine Reihe gleich hoher Zahlungen (Rente) heute wert?
Der Rentenbarwertfaktor sieht folgendermaßen aus:
Betrachten wir ein Rechenbeispiel: nehmen wir an, wir haben folgende Reihe gleich hoher Zahlungen:
von t = 1 bis t = 4 jeweils EURO 200,00
Wir wollen nun wissen, welcher Betrag heute den gleichen Wert hat, wie diese Zahlungsreihe von viermal EURO 200,–. Wir nehmen dabei Zinsen von 10 % an.
Rentenendwertfaktor
Jetzt, nachdem wir den Rentenbarwertfaktor betrachtet haben, ist es einfach, den Rentenendwertfaktor zu verstehen. Wir wissen schon, dass das Wort "Rente" auf eine Reihe gleich hoher Zahlungen hinweist. Des Wort "Endwert" weist auf den Zeitpunkt am Ende der Zahlungsreihe hin. Die Frage, die der Rentenendwertfaktor beantwortet, lautet somit: Wie viel ist eine Reihe gleich hoher Zahlungen am Ende wert?
Der Rentenenwertfaktor sieht folgendermaßen aus:
Die Arbeitsweise des Rentenendwertfaktors werden wir uns nun wieder an einem Beispiel verdeutlichen. Wir nehmen dazu die gleiche Zahlungsreihe wie oben, das heißt über vier Perioden jeweils EURO 200,–.
Nun stellen wir die Frage, was diese Reihe gleich hoher Zahlungen am Ende wert ist. Wir multiplizieren mit dem Rentenendwertfaktor, der in seiner allgemeinen Form bekanntlich lautet:
Indem wir die Zahlenwerte einsetzen, ergibt sich:
Der Betrag von 928,20 im Zeitpunkt t4, hat also den gleichen Wert, wie vier Zahlungen von jeweils EURO 200,– in den Perioden t1 bis t4.
Nachschüssige und vorschüssige Verzinsung
Der Rentenbarwertfaktor und der Rentenendwertfaktor gehen davon aus, dass die Zahlungen zum Jahresende erfolgen:
1.000,00 1.000,00 1.000,00
Man nennt dies nachschüssige Verzinsung.
Wenn die Zahlungen zum Jahresanfang erfolgen, nennt man dies vorschüssige Ver-zinsung.
1.000,00 1.000,00 1.000,00
Um trotzdem den Rentenendwertfaktor anwenden zu können, müssen wir die Zah-lungen, die hier zum Jahresanfang erfolgen, in ihren entsprechenden Gegenwert zum Jahresende umrechnen. Dies leistet der Aufzinsungsfaktor.
Jahr 1 Jahr 2 Jahr 3
1.000 = 1.050,00 = 1.050,00 = 1.050,00
Die EURO 1.000, die dreimal zum Jahresanfang eingezahlt werden, entsprechen dreimal EURO 1.050, die zum Jahresende eingezahlt werden. Mit diesem Betrag von EURO 1.050 und dem Rentenendwertfaktor können wir nun den Rentenend-wert bei vorschüssiger Verzinsung berechnen.
Zusammenfassung: Wenn wir den Endwert einer Rente bei nachschüssiger Ver-zinsung zu berechnen, benutzen wir den Rentenendwertfaktor. Wenn wir eine vor-schüssige Verzinsung vorliegen haben, können wir auch den Rentenendwertfaktor benutzen, dürfen aber nicht mit dem Betrag rechnen, der zum Jahresanfang ein-gezahlt wird. Wir müssen stattdessen diesen Betrag erst in seinen entsprechenden Gegenwert zum Jahresende umrechnen. Diesen Gegenwert zum Jahresende be-nutzen wir dann für den Rentenendwertfaktor.
Wiedergewinnungsfaktor (Annuitätenfaktor)
Der Wiedergewinnungsfaktor wird auch Annuitätenfaktor genannt. Er lautet folgen-dermaßen:
Mit wachem Blick erkennen wir sofort, dass der Wiedergewinnungsfak-tor aussieht wie der Rentenbarwertfaktor, nur das Zähler und Nenner vertauscht sind. Der Wie-dergewinnungsfaktor ist also der reziproke ("umgedrehte") Rentenbarwertfaktor. Die Fragestellung, die der Wiedergewinnungsfaktor beantwortet, ist demnach auch genau umgekehrt zum Rentenbarwertfaktor.
Der Rentenbarwertfaktor sagte, wie sich eine Reihe gleich hoher Zahlungen in einen Betrag in t0 umrechnen lässt. Beim Rentenbarwertfaktor haben wir also eine Reihe gleich hoher Zahlungen und wollen den Gegenwert dieser Reihe in t0 errechnen.
Der Wiedergewinnungsfaktor sagt demgegenüber, in welche Reihe gleich hoher Zahlungen (in welche Rente also) sich ein Betrag zerlegen lässt, der in t0 zur Verfügung steht.
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Bei Wiedergewinnungsfaktor haben wir also den Betrag in t0 und wollen wissen, in welche Reihe gleich hoher Zahlungen sich dieser Betrag zerlegen lässt. Den Zusam-menhang mit dem Rentenbarwertfaktor zeigt folgende Tabelle:
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Formel |
Wir haben: |
Wir wollen: |
Rentenbar-wertfakor |
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eine Reihe gleichhoher Zahlungen. |
den Gegenwert dieser Reihe in t0. |
Wiedergewin-nungsfaktor |
i . q n q n – 1
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einen Betrag in t0. |
eine Reihe gleichhoher Zahlungen als Gegenwert dieses Betrages. |
Der Tilgungsfaktor
Der Tilgungsfaktor lautet:
Wir erkennen sofort, dass der Tilgungsfaktor der reziproke Rentenendwertfaktor ist. Die Fragestellung, die der Tilgungsfaktor beantwortet, ist demnach auch genau umgekehrt zum Rentenendwertfaktor.
Der Rentenendwertfaktor sagte, wie sich eine Reihe gleich hoher Zahlungen in einen Betrag in tn umrechnen lässt. Beim Rentenendwertfaktor haben wir also eine Reihe gleich hoher Zahlungen und wollen den Gegenwert dieser Reihe in tn errechnen.
Der Tilgungsfaktor sagt demgegenüber, in welche Reihe gleich hoher Zahlungen (in welche Rente also) sich ein Betrag zerlegen lässt, der am Ende der Laufzeit, also in tn zur Verfügung steht.
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Beim Tilgungsfaktor haben wir also den Betrag in tn und wollen wissen, in welche Reihe gleichhoher Zahlungen sich dieser Betrag zerlegen lässt. Den Zusammen-hang mit dem Rentenendwertfaktor zeigt folgende Tabelle:
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Formel |
Wir haben: |
Wir wollen: |
Rentenend- wertfaktor |
q n – 1 i
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eine Reihe gleich hoher Zahlungen. |
den Gegenwert dieser Rei-he in tn. |
Tilgungs- faktor |
i q n – 1
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einen Betrag in tn. |
eine Reihe gleich hoher Zahlungen als Gegenwert dieses Betrages. |
Zinsfaktoren, Zusammenfassende Übersicht
Exkurs: Allgemeine Zinsformel
Die allgemeine Zinsformel, um den Zinsbetrag in EURO zu errechnen, lautet:
K . p . t
100 . 360
K = Kapital, p = Prozentsatz der Verzinsung, t = Zinstage (das Jahr hat 360 Zinstage).
Beispiel:
100,– EURO für 3 Monate (= 90 Tage) zu 6 % angelegt, erbringen:
100 . 6 . 90 = 1,50 EURO
100 . 360
(Nach der Euro-Zinsmethode werden im Zähler die Tage exakt berechnet).
Exkurs: Jahresverzinsung bei Skonto
Die Formel, um den Skontosatz auf das Jahr umzurechnen, lautet:
Skontosatz in % . 360
Zahlungsziel – Skontofrist
Beispiel:
Skontosatz 2% bei Zahlung innerhalb von 3 Tagen, sonst Zahlung innerhalb von 30 Tagen netto Kasse.
2 . 360 = 26,67 %
30 – 3
Exkurs: Effektivverzinsung
Die Formel, um einen Nominalzinssatz unter Berücksichtigung eines Disagios in einen Effektivzinssatz umzurechnen, lautet:
Dabei ist die mittlere Laufzeit wie folgt definiert:
mittlere Laufzeit: Gesamtlaufzeit + 1
2
Wenn allerdings tilgungsfreie Jahre vereinbart sind, dann berechnet sich die mittlere Laufzeit nach folgender Formel:
Gesamtlaufzeit + Freijahr(e) + 1
2
Effektivverzinsung, Beispiel 1
Ein Wertpapier ist zum Auszahlungskurs von EURO 98,20 zu erwerben und ver-spricht eine Nominalverzinsung von 8 %. Wie hoch ist der Effektivzinssatz, wenn die Laufzeit 5 Jahre beträgt ?
Nach 5 Jahren erhält der Käufer des Wertpapiers EURO 100,00 zurück. Auf diesen Kurs bezieht sich auch die Nominalverzinsung von 8 %. Da er aber beim Kauf nur EURO 98,20 einsetzen muss, um nach 5 Jahren den Nominalbetrag von EURO 100,00 zurückzuerhalten, beträgt das Disagio 100 – 98,20 = 1,80. Die mittlere Laufzeit beträgt 5 +1 dividiert durch 2 gleich 3 Jahre. Seine Effektivverzinsung er-rechnet sich zu 8,76 %. Diese Zahl ist höher als der Nominalzinssatz und ergibt sich durch das Disagio, das seine Effektivverzinsung erhöht.
Effektivverzinsung, Beispiel 2
Das gleiche Wertpapier ist zum Auszahlungskurs von EURO 98,20 zu erwerben und verspricht eine Nominalverzinsung von 8 %. Im Unterschied zu Beispiel 1, ist nun ein Tilgungsfreijahr und dann die Rückzahlung in 4 gleich hohen Raten vereinbart. Wie hoch ist jetzt der Effektivzinssatz, wenn die Laufzeit 5 Jahre beträgt?
Nun haben wir ein Tilgungsfreijahr und müssen zunächst die mittlere Laufzeit ge-sondert berechnen:
5 + 1 + 1 = 3,5
2
Die mittlere Laufzeit beträgt somit 3,5 Jahre. Eingesetzt in die obige Formel ergibt sich:
Der Effektivsatz beträgt nun 8,67 %.
Effektivverzinsung, Beispiel 3
Eine Bank bietet folgende Kreditkonditionen: Darlehnssumme EURO 1000,00; Auszahlungsbetrag EURO 950,00; Nominalzinssatz 12 %; Laufzeit 5 Jahre. Die Rückzahlung erfolgt in jährlich gleichen Tilgungsraten. Wie hoch ist die Effektiv-verzinsung?
Der Nominalzins in EURO beträgt 120,00 (=12% auf EURO1000,00), Die mittlere Laufzeit beträgt 5 + 1 dividiert durch 2 gleich 3 Jahre.
Der Effektivzinssatz beträgt 14,39 %, hier durch Einsetzen der absoluten Zahlen, statt der Prozentwerte, berechnet.