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Betriebswirt/in IHK. Praktische Preispolitik

Praktische Preispolitik

 

Wir betrachten zuerst die gesetzlichen Determinanten, die unsere preispolitischen Entscheidungen einschränken.

 

Eine Preisbindung des Händlers durch den Hersteller gibt es in Deutschland nur noch für Verlagserzeugnisse. Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, GWB, § 30 (Zeitungen und Zeitschriften), § 5 Buchpreisbindungsgesetz.

 

Die Preisangabenverordnung (PAngV) schreibt vor, dass bei einem Verkauf an Endverbraucher der Endpreis incl. Umsatzsteuer anzugeben ist. Für im Schaufenster ausgestellte Waren gibt es eine Auszeichnungspflicht.

 

Bei Preisgegenüberstellungen verbietet das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) die so genannten Mondpreise, also die angebliche Reduzierung völlig überhöhter Preise. Dies gilt als Verstoß gegen die guten Sitten lt. § 1 UWG.

 

Laut GWB (= Gesetz gegen Wetttbewerbsbeschränkungen) ist es außerdem ver-boten, Waren oder Dienstleistungen dauerhaft unter Einstandspreis anzubieten, es sei denn, dies ist sachlich gerechtfertigt (§ 20 (4) GWB).

 

Alle Händler, die Waren an Verbraucher verkaufen, müssen den so genannten Grundpreis angeben. „Grundpreis“ bedeutet der Preis für eine nachvollziehbare Recheneinheit, z. B. pro 1 kg oder pro 100 g, damit der Verbraucher die Preise leichter vergleichen kann.

 

 

 

Exkurs: Kostenrechnung

 

Bevor wir die Möglichkeiten praktischer Preisfestsetzung betrachten, brauchen wir Grundlagen aus der Kostenrechnung.

 

 

Kostenrechnung, Begriffsklärung

 

Wir klären zunächst die Begriffe "fixe" und "variable" Kosten. Fixe Kosten sind beschäftigungsunabhängige Kosten, das heißt, sie fallen an, unabhängig davon, ob etwas produziert wird oder nicht. Variable Kosten fallen hingegen nur an, wenn etwas produziert wird, das heißt, es sind beschäftigungsabhängige Kosten.

 

Wir klären nun die Begriffe "Einzelkosten" und "Gemeinkosten". Einzelkosten lassen sich dem einzelnen Produkt direkt zurechnen. Gemeinkosten lassen sich dem einzelnen Produkt nicht direkt, sondern nur indirekt über Schlüsselgrößen zu-rechnen.

 

Diese Begriffe im Zusammenhang betrachtet, können wir sagen:

 

Einzelkosten sind variable Kosten. Gemeinkosten können sowohl fix, als auch variabel sein.

 

Wir merken uns: Fixkosten sind immer Gemeinkosten, aber Gemeinkosten sind nicht immer Fixkosten.

 

 

Kostenrechnung, Aufbau und Kalkulationsschema

 

Die Kostenrechnung gliedert sich in die Kostenartenrechnung, die Kostenstellen-rechnung und die Kostenträgerrechnung.

 

In der Kostenartenrechnung erfolgt eine Gliederung und systematische Erfassung der Kosten.

 

In der Kostenstellenrechnung ist die Leitfrage: Wo sind die Kosten angefallen? Hier werden unter anderem Schlüsselgrößen ermittelt, um die Gemeinkosten auf die einzelnen Produkte umzulegen.

 

In der Kostenträgerrechnung werden die Kosten auf die einzelnen Produkte (= Kostenträger) umgelegt. Hier ist die Leitfrage: Wofür sind die Kosten angefallen?

 

Üblich ist folgendes Kalkulationsschema, um die Selbstkosten zu ermitteln. Das Grundprinzip dieses Schemas lautet: Einzelkosten + geschlüsselte Gemeinkosten (vgl. Haberstock, Kostenrechnung I).

 

Kostenorientierte Preisfestsetzung, Produktionsbetrieb

 

Die kostenorientierte Preisfestsetzung eines Produktionsbetriebes rechnet üblicher-weise nach dem Schema:

 

Selbstkosten + Gewinnzuschlag.

 

Für Zusatzaufträge sollte der Preis nach dem Schema:

 

variable Kosten + Gewinnzuschlag

 

berechnet werden.

 

 

Kostenorientierte Preisfestsetzung, Handel

 

Ähnlich ist das kostenorientierte Schema eines Handelsunternehmens aufgebaut. Dort kalkuliert man wie folgt:

 

                       Einkaufspreis der Ware

             

            +         Bezugskosten

                       _____________________

             =        Einstandspreis

             

            +         Betriebskosten

                       _____________________

          =           Selbstkosten der Ware

             

            +         Gewinn

                       _____________________

             =        Nettoverkaufspreis der Ware

             

            +         Mehrwertsteuer

                       _____________________

 

             =        Bruttoverkaufspreis der Ware    

 

Diese rein kostenorientierte Preisfestsetzung muss jedoch durch Marktorientierung ersetzt werden. So entstehen Preise für Produkte, die, weil ein höherer Marktpreis durchsetzbar ist als bei anderen, auch einen höheren Anteil der Betriebskosten tragen (müssen).                     

 

 

Nachfrageorientierte Preisfestsetzung

 

Die nachfrageorientierte Preisfestsetzung stellt nicht auf die Kostenseite ab, sondern fragt nach den Preisvorstellungen und der Preisbereitschaft der Zielgruppe.

 

Branchenorientierte Preisfestsetzung

 

Die branchenorientierte Preisfestsetzung ist in Branchen mit homogenen Gütern relativ verbreitet. Man orientiert sich am Branchenpreis oder an der Preisforderung des Marktführers. 

 

Preispolitische Strategien

 

Es gibt zwei grundverschiedene Ansätze: die Skimming-Strategie und die Penetra-tionsstrategie. Die Tabelle zeigt die Unterschiede:

 

 

Strategie

Skimming-Strategie

Penetrations-Strategie

 

das bedeutet:

Abschöpfungs-Strategie

 

Durchdringungs-Strategie

Vorgehen

hochpreisig in den Markt

einsteigen, später Preis

senken.

niedrigpreisig einsteigen ,

ev. später Preis erhöhen

Ziele

zeitliche Monopolgewinne

abschöpfen, frühes Ein-

spielen der F.u.E.- Auwen-

dungen.

 

schnelle Verbreitung anstreben, hoher Marktanteil, Folgege-schäfte  anstreben,

Erfahrungskurveneffekt nutzen

 

Voraussetzungen

Exklusivität, Prestigeobjekt

 

schnelle Distribution ist möglich, d. h. gute Logistik

Beispiel(e)

Unterhaltungselektronik

 

Microsoft,   im Extrem: Rocke-feller, Netscape  (Preis = 0)

 

 

 

Eine dritte Strategie ist die Strategie der Preisdifferenzierung. Man nimmt also für das gleiche Produkt oder die gleiche Dienstleistung unterschiedliche Preise. Je nachdem, nach welchem Kriterium man die unterschiedlichen Preise nimmt, unterscheidet man Preisdifferenzierung nach Gebieten (Benzinpreise), Preisdiffe-renzierung nach Zeiten (Tourismus) und Preisdifferenzierung nach Kundengruppen (Ermäßigung für Studenten).

 

Preispolitik und Kostenrechnung: die grundsätzlichen Denkfehler

 

Das Kalkulationsschema der differenzierten Zuschlagskalkulation offenbart bei ge-nauem Hinsehen den grundsätzlichen Denkfehler der Kostenrechnung, die ja ein Steuerungsinstrument des Unternehmens sein soll. Sinn eines betriebswirtschaft-lichen Steuerungsinstrumentes ist es aber, das Unternehmen bestmöglich in die sie umgebende Umwelt einzupassen.

 

 

Falsch: Erst der Preis, dann der Kunde

 

Das Kalkulationsschema zeigt jedoch eine  ausschließlich egozentrische Sichtweise, das Unternehmen dreht sich nur um sich selbst. Zunächst werden die eigenen  Kosten berechnet, dann der eigene  gewünschte Gewinnzuschlag und dann als Ergebnis ein Preis errechnet. Dieses Ergebnis, der Preis, muss aber von der Umwelt  gezahlt werden.1

 

 

Richtig: Erst der Kunde, dann der Preis: Target Costing

 

Völlig anders ermittelt die so genannte Zielkostenrechnung, auch "Target Costing" genannt, den Preis. Sie geht von den erforschten Bedingungen des Marktes aus und ermittelt so, gewissermaßen rückwärts denkend, zunächst den Preis und dann die Kosten. Zielgröße ist also der Preis, den der Kunde bereit ist zu zahlen. Die Ausgangsfrage lautet: Was darf ein Produkt kosten? Dieser Preis wird dann zunächst um eine angepeilte Gewinnmarge reduziert. Übrig bleiben die so genannten "Allowable Costs", das heißt die Kosten, die maximal für Design, Kon-struktion und Zulieferpreise anfallen dürfen.

 

Der zweite grundsätzliche Denkfehler hängt ebenfalls mit dem Schema der differen-zierten Zuschlagskalkulation zusammen. Dieses Schema suggeriert, dass auf gar keinen Fall ein Preis gefordert werden darf, der unter den Selbstkosten liegt.1

 

 

Falsch: Nie einen Preis unter Selbstkosten nehmen

 

In diesem Schema werden die Gemeinkosten jeweils durch differenzierte Zu-schlagssätze auf die Einzelkosten errechnet. Grundidee dieser Zuschlagssätze ist dabei, dass die Gemeinkosten sich möglichst proportional zu den jeweiligen Einzelkosten verhalten sollen. Steigen also die Einzelkosten, so steigen die Gemein-kosten ebenfalls und zwar in möglichst gleichem Verhältnis, wenn der gewählte Zuschlagssatz richtig ist.

 

 

Richtig: Preis unter Selbstkosten, wenn dadurch hohe Stückzahlen erreicht werden

 

Genau das gilt aber dann nicht mehr, wenn die Stückzahlen stark steigen und der Anteil der fixen Kosten an den Gemeinkosten relativ hoch ist, wovon man in der Regel ausgehen kann, besonders was die Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten betrifft. Mit stark steigenden Stückzahlen verteilen sich diese fixen Bestandteile auf immer mehr Stücke, die Kosten pro Stück nehmen also immer stärker ab, statt zu.

 

 

Preis unter Selbstkosten führt zu Gewinn

 

Eine Preissenkung unter die vorher kalkulierten Selbstkosten kann dann sogar zu einem Gewinn führen und nicht etwa zu einem Verlust, wie es das  Schema sug-geriert. Die nach dem Schema der differenzierten Zuschlagskalkulation errechneten Selbstkosten gelten also nur für eine ganz bestimmte Ausbringungsmenge (inner-halb einer gewissen Bandbreite) und sind bei stark steigenden Stückzahlen geringer als vorher kalkuliert.

 

Wenn die Stückzahlen stark steigen (dies allerdings ist zwingende Voraussetzung), dann kann der Unternehmer einen (hohen) Gewinn erzielen, obwohl (oder besser "weil") er einen Preis gefordert hat, der unter den vorher errechneten Selbstkosten liegt.

 

 

Wie legt man einen Preis in der Praxis fest?

 

"Eine Sache ist genau das wert,

was der Käufer dafür zu zahlen bereit ist."

 

Publius Syrus, Römischer Schriftsteller, 1. Jh. v. Chr.

 

Durch dieses Zitat von Publius Syrus ist das Wesen der Preispolitik in wenigen Worten auf den Punkt gebracht. Mathematische Modelle helfen in der Praxis sehr wenig, um einen Preis zu bestimmen. Folgende Richtlinien helfen dabei:

 

 

 

 

Preise müssen im Rahmen bleiben

 

Wenn ein Markt etabliert ist, wird das ungefähre Preisniveau schnell von allen erkannt. Ist Ihr Preis höher als das allgemeine Preisniveau, fragt sich der Kunde sehr schnell, ob er nicht zuviel bezahlt. Dann müssen Sie ihm gute Argumente bringen, für was  er mehr bezahlen soll.

 

 

Der Kunde ist preisbereiter, wenn er glaubt, bessere Qualität zu bekommen

 

Der Kunde zahlt für Qualität etwas mehr aber in der Regel nicht viel mehr. Qualitätsprodukte dürfen und sollten daher etwas teurer sein.

 

 

Teurere Produkte sollten Prestige bieten

 

Wenn Sie ihr Produkt hoch preisig positionieren, sollten Sie dem Kunden entspre-chendes Prestige bieten. Der Preis wird damit zu einer Eigenschaft des Produktes. Er besagt, dass das Produkt viel wert ist.

 

 

Hohe Preise und hohe Gewinne ziehen die Konkurrenz an

 

Kluge Unternehmen melken den Markt nicht leer. Sie behalten niedrigere Preise bei, um den Markt zu dominieren und neue Konkurrenz abzuschrecken. Marktneulinge dringen in der Regel über einen niedrigeren Preis in den Markt ein.

 

 

Vorsicht bei Preisnachsenkungen und Preisnachlässen

 

Der amerikanische Strategieexperte Michael Porter sagt es so: "Preissenkungen sind meistens Wahnsinn, wenn die Konkurrenz ihre Preise ebenso weit senken kann, wie Sie." Preissenkungen  sind schnell vollzogen, aber dann die Preise wieder zu erhöhen, ist schwierig. Es ist ein Unterschied, ob man sich konsequent als Teil einer Marketing-Strategie mit niedrigen Preisen am Markt positioniert und dadurch hohe Umsätze erzielt (Aldi-Strategie), oder ob man "mal" die Preise senkt.

 

Außerdem  gilt folgende harte Wahrheit: wer sich im Wettbewerb in der Rolle wieder findet, dass er mit seinen Kunden ständig über Preisnachlässe diskutieren muss, hat sonst nichts zu bieten.

 

 

Preispolitik und Internet

 

Das Intenet macht Märkte und Preise transparenter. Preisagenturen suchen für den Kunden das gewünschte Produkt zum günstigsten Preis und nutzen dabei auch die Informationen des Internets. Diese zunehmende Transparenz veranlasst einige Experten dazu, zu prophezeihen, dass wir uns in Zukunft für die meisten Produkte an digitale Preisanzeigen gewöhnen müssen, auf denen sich die Preise stündlich  oder sogar minütlich  ändern.

 

 Auf der anderen Seite bietet das Internet aber auch neue Möglichkeiten, die Preisbereitschaft der Kunden und die Elastizitäten zu testen. Die Preisbereitschaft kann z. B. über Online-Auktionen getestet werden, die Elastizität kann getestet werden, indem man den Preis von einer bestimmten abgesetzen Stückzahl abhängig macht ("80 Euro, wenn 200 Leute kaufen"). Diese Art der Preispolitik nennt man "Power Pricing".



1 Diese Kritik ist wesentlich beeinflusst von der EKS-Strategie.

 

 

1 Einzige Ausnahme: Es handelt sich um einen Zusatzauftrag. Hier werden nur die durch diesen Zusatzauftrag zusätzlich entstehenden Kosten kalkuliert.