Warum habe ich den Namen „Silvio Gesell“ in meinem wirtschaftswissenschaftlichen Studium nicht gehört? Zufall? Sicher nicht! Denn Diejenigen, die die Wirtschaft steuern, sind an funktionierenden Systemen nicht interessiert, die den Menschen Wohlstand bringen.
Wenn man es trotzdem macht, so wie im österreichischen Wörgl und wenn es dann funktionert, dann wird es irgendwann mit Staatsgewalt „platttgemacht“.
Das Wörgler Freigeld-Experiment
In den 1930er Jahren befand sich Wörgl, wie viele andere Orte in Europa, inmitten der Großen Depression. Die Arbeitslosigkeit war hoch, und die lokale Wirtschaft war in einer schweren Krise. Die Gemeindeverwaltung von Wörgl beschloss daher, ein alternatives Geldsystem einzuführen, das auf den Ideen von Silvio Gesell basierte.
Das Experiment bestand darin, sogenanntes „Freigeld“ einzuführen, das eine Art „Stempelgeld“ war. Auf den Scheinen war ein monatlicher Abwertungssatz aufgedruckt. Um ihre Scheine gültig zu halten, mussten die Besitzer jeden Monat einen Stempel darauf anbringen lassen, der die Abwertung belegte. Dadurch sollte eine Anreizstruktur geschaffen werden, damit das Geld nicht gehortet, sondern schnell ausgegeben wurde.
Das Wörgler Freigeld-Experiment führte zu einem erstaunlichen wirtschaftlichen Aufschwung in der Gemeinde. Die Wirtschaft belebte sich, die Arbeitslosigkeit sank, und zahlreiche öffentliche Projekte wurden finanziert. Es war ein kurzfristiger Erfolg und erregte internationale Aufmerksamkeit.
Allerdings wurde das Experiment von den österreichischen Behörden bald untersagt, da es als Bedrohung für das bestehende Währungssystem angesehen wurde. Dennoch blieb das Wörgler Freigeld-Experiment ein bemerkenswertes Beispiel für alternative Geldtheorien und die Möglichkeiten lokaler Währungen, die auf spezifischen Bedürfnissen einer Gemeinschaft basieren.
Über Silvio Gesell
Silvio Gesell (1862-1930) war ein deutsch-argentinischer Kaufmann und Geldtheoretiker, der als einer der einflussreichsten Vordenker des Freiwirtschaftsge-dankens gilt. Er wurde in St. Vith, Belgien, geboren und emigrierte später nach Argent-inien, wo er als Händler und Unternehmer tätig war. Gesell entwickelte eine eigenstän-dige Geldtheorie, die einige unkonventionelle und kontroverse Ideen enthielt.
Die wichtigsten Aspekte von Silvio Gesells Theorien und Ideen sind:
Freigeld: Gesell präsentierte das Konzept des „Freigelds“ als eine alternative Form des Geldes, das er als „Umlaufsicherung“ bezeichnete. Seiner Ansicht nach sollte Geld eine Art „Nutzungsgebühr“ tragen, um es zu veranlassen, schneller zirkulieren zu lassen und nicht gehortet zu werden. Er argumentierte, dass eine solche Umlaufsicherung die wirtschaftliche Aktivität ankurbeln und Inflation verhindern könnte.
Negativzinsen: Gesell war ein Befürworter von Negativzinsen auf Geld, um Anreize für die Menschen zu schaffen, Geld auszugeben oder zu investieren, anstatt es zu sparen. Er argumentierte, dass die natürliche Tendenz von Geld, einen Wert zu verlieren, die Wirtschaft anregen würde und dazu führen könnte, dass Geld nicht gehortet wird.
Freiwirtschaft: Gesell war ein Verfechter der Freiwirtschaft, die ein System ohne Zinsen, Bodenrente und Monopole vorsieht. Er plädierte für die Abschaffung privater Landeigentumsrechte zugunsten einer gemeinschaftlichen Bewirtschaftung und Aufteilung des Landes.
Sozialreformer: Gesell verstand seine Theorien als Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit und Wirtschaftsreform. Er glaubte, dass die Umsetzung seiner Ideen zu einer gerechteren Verteilung des Reichtums und einer stabilen Wirtschaft führen würde.
Einfluss und Nachwirkung: Gesells Ideen hatten Einfluss auf verschiedene soziale Bewegungen, darunter die Freiwirtschaftsbewegung und auch auf einige Wirtschaftstheoretiker der späteren Jahre. Seine Theorien wurden jedoch auch kritisiert, insbesondere im Hinblick auf die praktische Umsetzung und die potenziellen Auswirkungen auf die Wirtschaft.